Das Romandebüt Über mir das Meer von Mary Lynn Bracht erzählt die eindringliche Geschichte eines berührenden Schicksals zweier Schwestern, die während des Zweiten Weltkriegs in Südkorea voneinander getrennt wurden. Auf zwei sich abwechselnden Zeitebenen erzählt Bracht vom Leben der beiden Schwestern. Während der Leser ab dem Jahr 1943 unmittelbar Hanas Weg verfolgt und so zum Zeugen ihrer Misshandlungen wird, erfahren wir fast 70 Jahre später Emis Sicht der Dinge.
Als 16-Jährige wird Hana entführt und in die Mandschurei verschleppt, um als Trostfrau, den Soldaten zur Verfügung zu stehen. Dort ist sie deren unbändiger Gewalt und zügelloser Lust schutzlos ausgeliefert. Die schiere Hilf- und Hoffnungslosigkeit, der sie als Sklavin ausgesetzt ist, können Hana aber nicht brechen, die sich immer wieder in Gedanken an ihre Schwester und Familie flüchtet. Auch Emis Leben während des Krieges war grausam und sie bleibt bis ins hohe Alter traumatisiert, die Liebe und Sehnsucht nach ihrer Schwester ist aber unvergessen. Die Suche nach Hana führt Emi jedes Jahr nach Seoul, wo sie nicht nur ihre Kinder besucht, sondern auch an der Mittwochsdemonstration teilnimmt und hofft, dort ihre Schwester zu treffen.
Eine Kampfansage gegen das Vergessen!
Mary Lynn Bracht hat koreanische Wurzeln und ließ sich für diese Geschichte von wahren Begebenheiten inspirieren. Auf sehr beeindruckende Weise schreibt sie vom Leid der Frauen, die während des Krieges verschleppt und missbraucht wurden. Die sinnlosen Gräueltaten des Krieges werden dem Leser noch lange im Gedächtnis bleiben, genauso wie das Unrecht, das all diesen Frauen damals wiederfahren ist. Bis ins Jahr 2011 wurden weder Reparationen noch Entschuldigungen geleistet. Tatsächlich wurde im Jahr 2007 sogar die Erklärung, dass Trostfrauen während des Krieges gegen ihren Willen gehalten wurden, von der japanischen Regierung wieder zurückgenommen. Umso wichtiger ist dieser Roman, der den Deckmantel des Schweigens lüftet.
Lieben Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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