Eine kleine Warnung sei vorweg gesetzt: Der Roman Tiger, Tiger von Margaux Fragoso geht an die Nieren und spannt die Nerven auf die Folter. Die Rede ist nicht von einem Spannungsbogen der Extraklasse, sondern von der Pädophilie, die der Roman minutiös zeichnet. Ein Thema, das uns im Alltag nur in ein paar Sätzen in den Nachrichten begegnet und uns mit einem entsetzten wie hilflosen Kopfschütteln zurücklässt. Margaux Fragoso beschreibt ihre 15-jährige Beziehung zu Peter, den sie mit 7 Jahren im Schwimmbad kennenlernt, Peter ist 51 Jahre alt. Der Roman ist der Bericht eines Opfers, er zeichnet diese 15 Jahre auf: das Kennenlernen, die Beziehung und endet mit Peters Selbstmord.
So nüchtern die Niederschrift auch ist, um so empfindlicher sind die Beschreibungen der Geschehnisse. Denn Margaux zeichnet Peter nicht als Bestie, sondern als umsorgenden Menschen, für den Margaux auf einmal im Mittelpunkt steht, kommt sie bei ihren Eltern doch zu kurz. Spannend sind ebenfalls die Reaktionen des Umfelds. Es wird zwar getuschelt, aber nicht eingegriffen. Es wird gemunkelt, aber nicht verhindert. Erschreckend, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen, weil ich erkenne, dass hier eine alltägliche Tragödie stattfindet. Am liebsten hätte ich das Buch in die Ecke gepfeffert, angewidert und vor allem sauer, aber für Margaux habe ich durchgehalten.
In ihrem Nachwort erklärt Margaux Fragoso, dass sie den Roman für ihre Tochter geschrieben hat, um den Kreislauf des Schweigens, der von ihrer Großmutter und Mutter aufrechtgehalten wurde, zu durchbrechen. Sehr mutig, wie ich finde. Tiger, Tiger habe ich schon längst in interessierte Hände weitergegeben, denn der Roman sollte gelesen werden.
No Comments