Auf den Roman Sag nicht, wir hätten gar nichts von Madeleine Thien war ich schon das ganze Jahr gespannt. Meine Vorfreude sollte zum Glück nicht enttäuscht werden. Auf über 600 Seiten spinnt Thien eine Familien Saga und entführt den Leser auf eine erstaunliche Lesereise in das China der 1940er Jahre bis heute.
Das Familien-Epos porträtiert das Leben von drei Generationen nach den Jahren des Krieges und der Neuausrichtung des Staates China. Geschichtliche Zeitpunkte, an denen der Roman spielt, sind die Massenkampagne „Großer Sprung nach vorn“ und ihre Auswirkungen, die Jahre während Maos Kulturrevolution und die Zeit der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens.
Der Roman beginnt aber in der Gegenwart und erzählt aus der Perspektive von Marie, die 1979 mit ihren Eltern nach Kanda gekommen ist. Nach dem Kennenlernen von Ai-Ming, die nach dem Tian’anmen-Massaker nach Canada zu Marie und ihrer Mutter geflohen ist, versucht nun Marie mit Ai-Mings Hilfe die Leerstellen ihrer Familiengeschichte zu füllen. Nach und nach wird die Vergangenheit ihrer und Ai-Mings Familie, die sich sehr nahe stand, erzählt. So begegnet der Leser einem bunten Ensemble an Charakteren, die er durch die Irrungen und Wirrungen der Zeit begleitet. Sie müssen sich den Grausamkeiten der Kulturrevolution anpassen und sich selbst dabei aufgeben, um ihr Leben zu retten. Diese schweren Einschnitte verdeutlicht Thien eindrucksvoll durch das Thema der Musik.
Es ist kein kurzweiliges Lesevergnügen für entspanntes Beinebaumeln. Die Geschichte erscheint an vielen Stellen langatmig und die komplexe Struktur der Erzählerstimmen verlangt volle Aufmerksamkeit beim Lesen. Thiens Roman ist eine Herausforderung, die sich aber lohnt.
Lieben Dank an den Luchterhand Literaturverlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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