Wer mich und meine bescheidenen vier Wände kennt, der weiß, dass ich eine Schwäche für alte Fotografien vom Ostseeurlaub habe. Zu sehen sind die Ostsee, Strandkörbe, ein paar Möwen, meine Mutti als Bohnenstange mit kurzem Haar, mein Onkel als kleiner Knirps mit Cowboyhut, mein Opa in rank und schlank und die dünnen Stelzen meiner Omi. Meine Familie, die zu diesem Zeitpunkt noch Fremde sind, nimmt Platz in fast künstlich anmutenden Urlaubsszenen, weil so typisch und idyllisch. Auch ich werde dann später Teil dieser Urlaubsszenen sein, nur trägt mein Onkel dann einen Schnurrbart und meine Mutti hat eine wilde Dauerwelle.
Rechtzeitig zur Sommerurlaubssaison erschien am 20. Mai der neue Fotoband „Life’s a Beach“ des britischen Fotografen Martin Parr. Kulisse seiner Aufnahmen sind die Strände und Ferienbäder dieser Welt. Das Hauptmotiv seiner Bilder ist der reizlose und hässliche Augenblick, den viele Urlauber selbst gar nicht erst dokumentieren – Foto vom herrlich blauen Meer? Ja. Foto von „Frau Meisenkaisers“ 12:45-Uhr-Seitenlage in der prallen Mittagssonne? Lieber nicht. Wenn es um die eigenen Strandaufnahmen geht, dann schwingen wir entweder kräftig die Photoshopkeule oder knipsen den blauen Himmel lieber dreimal mehr. Parr verewigt diese unvorteilhaften und scheinbar unbeobachteten Momente in seinen Strandaufnahmen. Es sind ungewöhnliche Bilder, obwohl gewöhnliche Motive, entstanden, die das mitunter bizarre Verhalten von Strandurlaubern dokumentieren; zu sehen sind groteske Szenen am Strand. Natürlich schwingt hier ein sehr bissiger Humor mit, der aber nicht nur den Urlauber als Faszinosum an sich vorführt, sondern den gesamten Massentourismus mit all seinen Klischeebehaftungen ablichtet. „Der Strand, sagt Martin Parr „ist einer jener raren öffentlichen Räume, an denen man quer durch die Kulturen alle Absurditäten und skurrilen Eigenheiten der jeweiligen Nation findet.“ Jetzt, aber bloß nicht die ganze Zeit mit eingezogenem Bauch in der Sonne lümmeln!
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