Literatur - Was ich gerade lese!

Die Schneekönigin von Michael Cunningham

die Schneekönigin von Michael cunningham Der Roman Die Schneekönigin von Michael Cunningham ist ein modernes Märchen, das vergeblich auf den Prinzen warten lässt. Die Brüder Barrett und Tyler leben zusammen im unprätentiösen New Yorker Stadtteil Bushwick und kümmern sich gemeinsam um Tylers krebskranke Freundin Beth. Beide führen ein kreatives Leben, dessen Weg, obwohl sie sich mit Ende 30 dreißig in den besten Jahren befinden, aber ins Leere läuft. Karrieretechnisch hängen die beiden in einer Endlosschleife, lediglich die Pflege von Beth gibt den beiden einen Lebensrhythmus.
Barrett erscheint am Himmel über dem Central Park ein Licht. Im Märchen würde man dieses Licht als überirdisches Zeichen deuten, das den Weg weist. Doch was macht man als intellektueller Großstädter? Bei Barrett hinterlässt diese Erscheinung ebenfalls Eindruck, führt aber zu keiner Reaktion. Während im Märchen die Heldenreise nun längst begonnen hat, wartet man bei Barrett und Tyler vergebens nach einem Aufschwung. Beide verharren im kreativen Phlegmatismus. Der Prinz wird nicht kommen.
Wer Andersens Märchen liebt, der sucht hier vergebens nach dem Original. Cunningham bedient sich jedoch vieler Motive, die diesen Roman gerade deswegen lesenswert machen. Es ist die Schneekönigin in den 2000er Jahren mitten in der Großstadt, mit ihrer alltäglichen Herzlosigkeit, deren Splitter die Bewohner längst getroffen hat. Denn der Blick ist oftmals durch Zynismus getrübt und die Herzen wurden längst sicherheitshalber verschlossen. Aber man darf nicht darauf warten, gerettet zu werden, diese Mission muss jeder selber in die Hand nehmen.

Lieben Dank an den Luchterhand Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!

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