Der Roman Der Neue von Tracy Chevalier ist die neueste Veröffentlichung des Hogarth Shakespeare Projekts. Chevalier verlegt ihre Othello-Neuerzählung auf den Pausenhof einer amerikanischen Vorstadt der 1970er Jahre.
Osei, der Sohn eines Diplomaten aus Ghana, ist mal wieder der Neue an der Schule. Er kennt das Spiel und weiß, wie wichtig der erste Eindruck ist. Os zurückhaltende, sympathische Art kann nicht über seine Hautfarbe hinwegtäuschen. Denn Anfang der 1970er Jahre ist O der einzige schwarze Junge an der Schule. Damit sticht er ungewollt aus der Masse hervor und wird zur Zielscheibe für Hass und Vorurteile, die nicht nur in den Köpfen der Lehrer steckt, sondern auch schon den anderen Kindern eingebläut wurde.
Als sich Dee, das beliebteste Mädchen der Schule, für den Neuen interessiert und sich mit ihm anfreundet, droht die Hierarchie auf dem Pausenhof aus dem Gleichgewicht zu geraten. Vielen ist diese Freundschaft ein Dorn im Auge, Neid und Mistgunst lassen die Mitschüler Intrigen spinnen. Os Freundschaft zu Dee wird schließlich auf die Probe gestellt und lässt die Kinder auf ganz grauenvolle Weise zur Tat schreiten. Genau einen Schultag lang begleiten wir den Neuen durch den Spießrutenlauf auf dem Pausenhof und im Klassenzimmer.
Chevalier ist ein ganz eigenes Drama gelungen, das nicht weniger explosiven Sprengstoff als das Original besitzt, denn sie spickt ihr Shakespeare-Drama mit jeder Menge Rassismus, Mobbing und Hass.
Chevalier bedient sich für ihren Roman klassischer Dramenelemente eines Stücks, wie dem Chor, hier in Form eines Seilspringliedes, oder der Struktur in 5 Akten, hier in Form von Kapiteln. Vor allem aber sticht heraus, dass Chevalier ihren Roman im Laufe eines einzigen Schultags spielen lässt. Für mich ein raffinierter Kniff, denn der Schulalltag kann sich von Pause zu Pause drastisch ändern. Freundschaften und Liebschaften werden kurzfristig beendet, am Ende des Tages vielleicht wieder aufgenommen oder neu gefunden. Für mich ein gelungen realistisches Setting für das Hin und Her der Geschehnisse. Kinder sind eben doch leichtgläubig und beeinflussbar. Dennoch sind sie zu großen Taten bereit, genauso wie zu Schrecklichen. Bei Chevalier kann es kein Happy End geben, denn Fremdenhass und Rassismus sind nach wie vor allgegenwärtig und ein großes Problem unserer Gesellschaft. Mit ihrem Roman bleibt Tracy Chevalier dem Leser noch lange im Gedächtnis und macht große Lust, Shakespeares Original einen Besuch abzustatten.
Lieben Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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