Auch im neuen Roman von Jesmyn Ward verschlägt es den Leser wieder in das Mississippi-Delta und begleitet das Schicksal einer schwarzen Familie. Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt erzählt von Leonie und ihren Kindern Jojo und Kayla sowie den Großeltern Mam und Pop, die alle unter einem Dach leben. Der Vater der Kinder, Michael, sitzt im Gefängnis. Der Alltag der Familie ist durch die Abwesenheit des Vaters und die Vernachlässigungen der Mutter geprägt. Der dreizehnjährige Jojo ist an die Enttäuschungen seiner Mutter schon gewohnt, lediglich in seinen Großeltern und seiner Schwester hat er einen familiären Anker und damit den Hauch von alltäglicher Normalität. Während Mam im Endstadium ihrer Krebserkranung angekommen ist, rückt der Entlassungstermin von Michael immer näher. Die Familie steuert damit unmittelbar auf einen ungewissen Wendepunkt zu.
Höhepunkt des Romans ist die mehrtägige Reise mit dem Auto nach Parchment, dem staatlichen Gefängnis. Leonie will gemeinsam mit den Kindern Michael abholen. Die langen Stunden im Auto unter der unnachgiebigen Hitze des Südens sind eine Tortur für alle Insassen, auch für den Leser. Während dieses Road Trips bietet sich ein schonungsloses Bild der Familiendynamik, die oft nur schwer zu ertragen ist. Ward ist mal wieder ein ungeschönter Blick auf das Leben einer Familie gelungen, deren Alltag sich wie ein Überlebenskampf anfühlt.
Der Roman bricht einem das Herz, denn er lässt den Leser an vielen Stellen wütend werden und dann verzweifelt zurück. Doch genau diese Gefühle braucht es, um die Ungerechtigkeit auf dieser Welt endlich die Stirn zu bieten. Mit Jojo hat Ward dennoch einen starken Charakter geschaffen, der Hoffnung schenkt. Ihr Familienporträt der drei Generationen verknüpft geschickt die Vergangenheit mit der Gegenwart und gibt dem Leser einen kleinen Ausblick in die Zukunft der Familie und dem Leben im Mississippi-Delta.
Für alle, die Wards Roman Vor dem Sturm gelesen haben, findet in diesem Roman einen kleinen Esch und Skeet-Moment, der mich so glücklich gemacht hat.
Lieben Dank an den Verlag für die Bereitstellungs eines Rezensionsexemplars!
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