Mit der Wahl meines allerersten Mangas habe ich gleich mitten ins Schwarze getroffen! Was ein spontaner Fund in der Bibliothek war, entpuppte sich als absolutes Lesehighlight. Meine Begeisterung für Comics und Graphic Novels schwappt nun über in die für mich noch so fremde Welt der Manga. Mit Chiisakobee: Die kleine Nachbarschaft von Minetarō Mochizuki habe ich ganz sicher einen phänomenalen Einstieg gefunden.
Das Manga wurde nach einem Roman von Yamamoto Shūgorō inszeniert und erzählt die sehr berührende Geschichte einer ganz ungewöhnlichen Gemeinschaft, die sich in den Irrungen und Wirrungen des Alltags gefunden hat. Es ist eine ganz wunderbare Parabel darauf, dass man nicht alleine durch das Leben geht und gehen muss.Im ersten Band kehrt der verlorene Sohn Shigeji zurück. Nach dem Tod der Eltern steht das Familiengeschäft „Daitome“, eine traditionelle Schreinerei, vor dem Ruin. Dem jungen Schreinermeister Shigeji bleibt keine Zeit zum Trauern, er muss sich um die Geschäfte von Daitome kümmern und lernen, für andere Verantwortung zu übernehmen. Auf seinem Weg ist er aber nicht alleine. Ritsu ist eine Spielgefährtin aus der Jugend, die ebenfalls nach dem Tod ihrer Mutter in ihren Heimatort zurückkehrt. Dort treffen die beiden aufeinander. Ritsu greift Shigeji unter die Arme. Ihre gutmütige Art sorgt dafür, dass eine Schar elternloser Kinder bei ihnen unterkommt. Damit beginnt der turbulente und ungewisse Weg aller.
Die neu gefundenen Beziehungen verknüpfen sich im ersten Band mühselig, was vor allem an der introvertierten und sehr sturen Art von Shigeji und Ritsu liegt. Beide kämpfen sich nur langsam nach ihrem persönlichen Schicksalsschalg zurück ins Leben.
Die wütendene und wilde Schar der Kinder steht im Kontrast zu den eher schweigsamen Charakter von Ritsu und Shigeji. Der erste Band nimmt sich Zeit, die emotionsgeladenen Charaktere vorzustellen und die konfliktbeladenen Beziehungen anzulegen. Mochizukis zurückhaltender und dennoch durch pointierte Details herausragender Stil verbindet gekonnt Moderne mit Tradition und ist darum ganz sicher auch etwas für Comic und Graphic Novel Leser. Im zweiten Band erfahren wir endlich mehr über die Bedeutung von „Chiisakobee“, darüber hinaus bleibt die persönliche Welt der Charaktere spannungsreich, dafür wächst aber der Zusammenhalt der Gemeinschaft. Auch in diesem Band versteckt sich Shigeji hinter seinem langen Haaren und Vollbart. Er bleibt stur, wenn es darum geht, den Familienbetrieb aus eigener Kraft zu retten. Nur bei den Kindern beweist Shigeji echte Teamplayerqualitäten. Während Ritsu und Shigeji im ersten Teil noch aneinander vorbei lebten, hat man nun das Gefühl, eine eingeschworene, familiäre Bande zu beobachten. Auch die Waisenkinder tauen langsam auf und entfalten eine eigene Persönlichkeit, die den Leser hinter die Krawallbürstenfassade blicken lässt. Der Reiz dieser ungewöhnlichen Gruppendynamik ist im zweiten Band ungebrochen und macht große Lust auf mehr.
Vor allem weil die Dreiecksbeziehung wischen Ritsu, Shigeji und Yuko, die bisher in einer friedlichen Coexistenz verweilte, im nächsten Band endlich Fahrt aufnehmen dürfte.
Mit dem zweiten Band wird Mochizukis gelungener Mix aus kulturellen Gütern und modernen Errungenschaften, die so wunderbar im Detail gezeichnet sind, noch deutlicher. Während der Kleidungsstil sehr cool ist, rühren die Umgangsformen aus einer für Japan typischen Zurückhaltung. Immer wieder reiben sich Tradition und Moderne aneinander. Das Ergebnis ist eine wunderschöne Erzählung, die mit ihrer Bildsprache berührt. Ich bin gespannt, wohin die Reise gehen wird!
Lieben Dank an den Verlag für die Bereitstellung des 2. Bands als Rezensionsexemplar!
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