Es ist mir schon sehr lange nicht mehr gelungen, einen Roman am Stück zu verschlingen, weil mich die Geschichte so gefesselt hat und mich erst mit der letzten Seite wieder losgelassen hat. Den letzten Samstag habe ich also mit dem Roman Brooklyn von Colm Tóibín verbracht. Ein echter Glücksgriff, muss ich an dieser Stelle zugeben, da mich erst die Romane von Edna O’Brien zu den ebenfalls irischen Schriftsteller Colm Tóibín geführt haben.
Brooklyn ist die Geschichte einer jungen Irin Eillis, die von ihrer Familie aus der Hoffnungslosigkeit ihrer Heimat heraus in die neue Welt der Hoffnung namens „Amerika“ geschickt wird. Nach den schier unendlichen Strapazen der Überfahrt gelingt Eillis der Start in Brooklyn fast leichtfüßig, da sie vom Netz der Einwanderer und der katholischen Kirche aufgefangen wird. Aber schnell schlägt das alles vernichten wollende Heimweh zu. Eillis gelingt es sich durchzubeißen, sie absolviert einen Buchhalterkurs am College und verliebt sich, ihr neuer Platz in der fremden Heimat scheint eingerichtet. Bis sie der Tod ihrer Schwester sie nach Irland zurückkehren lässt. Dort trifft Eillis als anderer Mensch ein, für den es nun einen Platz gibt. Sie muss sich nun entscheiden.
Colm zeichnet ein Brooklyn in den 50er Jahren, er zeigt uns ein selbstständiges Frauenbild, das aber mit dem Eintritt in die Ehe die Selbstständigkeit verliert – noch sind „wir“ vom heutigen Istzustand weit entfernt. Der Roman ist für mich nicht „nur“ eine Auswanderergeschichte, sondern auch ein kleiner Ausschnitt aus der Geschichte des Feminismus, der sich immer noch auf dem Weg der Unabhängigkeit befindet. Denn letztendlich treibt nicht Eillis freier Wunsch sie zurück nach Amerika, sondern vor allem das Versprechen, das sie ihrem Mann gegeben hat, das aber wiederum eine freie Wahl ihrerseits war.
Es ist ein einzelnes Schicksal von vielen, fast schon bescheiden erzählt, das aber darum nicht weniger berührt.
No Comments