Ein Manuskript aus dem Umfeld Ludwigs II.
Angela Steidele ist mit ihrem Debüt Rosenstengel ein historischer Briefroman gelungen, der mit einer spannenden Handlung, einem Einblick in die Geschichte der Homosexualität und der Entwicklung der Psychiatrie zugleich aufwartet.
Grundstock der Erzählung ist die erfundene Beziehung des bayrischen Märchenkönigs Ludwig II. und dem Arzt Franz Carl Müller, dessen Recherchen zum Fall „Anastasius Rosenstengel“ das Interesse des Königs wecken. Der über 150 Jahre zurückliegende Fall eines jungen Soldaten, der mit echten Namen Catharina Link heißt, führt den Leser in die Zeit des Pietismus. Ludwig ist besessen von diesem Schicksal Rosenstengels, der für seine Maskerade 1721 dem Henker vorgeführt wird. Diese Faszination bringt Ludwig und den Arzt näher. Aber beide ahnen nicht, dass Müller Teil einer Intrige am Hofe ist, die die Verschwendungssucht des bauwütigen Königs Einhalt gebieten will. Müller liefert unwissend die Beweise durch seine Briefe an die Professoren Westphal und von Gudden, die aus den ausführlichen Beschreibungen Müllers ein ärztliches Gutachten für die Regierungsunfähigkeit Ludwigs stricken.
Rosenstengel und Ludwig sind sich beide nicht unähnlich, leben sie doch zu einer Zeit, in der sie unverstanden bleiben sollen. Für den Leser sind diese Briefe nicht nur ein spannendes Lesevergnügen, sondern auch Zeugnis über den Umgang mit Andersartigkeit im 18. und 19. Jahrhundert.
Um den Leseeinstieg zu vereinfachen, rate ich jeden sich vorab mit dem „Who is Who“ am Ende des Buches vertraut zu machen, um die Beziehungen und gesponnen Intrigen in vollen Zügen genießen zu können. Denn es wäre doch zu schade, auch nur einen Moment von Steideles genial komponiertem Spiel aus historischen Fakten und fiktiven Elementen zu verpassen. Steidele ist hier wirklich ein kleiner Leseschatz gelungen, der so reich an historischen Stoff und dabei so klug und unterhaltsam ist.
Lieben Dank an den btb Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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