„Und wie fandest du es?“ – „Gut. Und du?“ – „Nicht gut. Ganz schön plakativ. Ich habe mich gelangweilt.“ So gingen die Meinungen von mir und meiner Theaterbegleitung vergangenen Montag nach der Aufführung von Small Town Boy im Maxim Gorki Theater weit auseinander. Während ich der Inszenierung von Falk Richter vermutlich die Schulnote 2- gegeben hätte, hätte meine Freundin wohl knallhart mit 4, 5 oder sogar 6 bewertet. Dabei kann ich das „plakativ“ noch stellenweise nachvollziehen, denn das Thema „Homoehe“ bzw. „Rechte von Homosexuellen“ ist heute tatsächlich ein so allgegenwärtiges Thema, dass es bestimmt keine neuen Sichtweisen oder bewusstseinserweiterndes Denken schafft. Ich finde jedoch, dass Theater nicht ausschließlich zu diesem Zweck da ist. Ich finde, man darf und soll auch bereits Gesagtes unterstreichen, betonen und in ein neues Kunstwerk verflechten. Und Small Town Boy macht genau das. Es geht um die Selbstfindung des modernen Individuums vom heranwachsenden Teenager in der Vorstadt bis zum sich in Ängsten und Sehnsüchten verlierenden (homosexuellen) Stadtmensch. Dabei werden Beziehungsgeflechte hinreißend komisch ausgelotet, Berliner Klischees parodiert und politisch auf die Pauke gehauen. Putin, Anna Netrebko und Erika Steinbach kriegen ordentlich ihr Fett weg, „warum“ wird sich in diesem Zusammenhang jeder denken können. Leider wird diese Szene in einem nicht enden zu wollenden Monolog aber so sehr ausgeschlachtet, dass man sich selbst bis zur hinteresten Reihe plötzlich wie der Staatsfeind Nummer 1 fühlte. Aus diesem Grund gibt es also noch ein „Minus“ nach der 2 für einen ansonsten gelungenen Theaterabend mit grandiosen Schauspielern, die allesamt gleichwohl eine Gesangskarriere anstreben könnten. Denn immer wieder gab es musikalische Einlagen, die null störten (das passiert im Theater oft, finde ich), sondern vielmehr erfrischten und die Möglichkeit boten, die gereichten Häppchen zu verarbeiten.
Bilder: Thomas Aurin
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