Literatur - Was ich gerade lese!

Mein fremdes Leben von Joshua Ferris

Mein fremdes LebenJoshua Ferris lockt den Leser mit den ersten 50 Seiten seines Romans Mein fremdes Leben mit einem humorvollen, irrwitzigen Redefluss eines erfolgreichen Zahnarztes in Manhattan. Dann ist man in der Geschichte gefangen und merkt, dass hier nicht nur am Zahnstein gekratzt wird, sondern der Sinn des Lebens verhandelt wird. Paul O’Rourke ist ein Mann voller Widersprüche, während er als Zahnarzt eine Koryphäe ist, hapert es am zwischenmenschlichen Selbstbewusstsein. Schnell wird deutlich, auch wenn Paul alles zu haben scheint, ist er doch ganz allein mitten einer der pulsierenden Metropolen der Welt. Weder ein echtes Hobby noch eine Familie oder Liebesbeziehung geben seinem Leben eine Konstante. Auch wenn er bekennender Atheist ist, ist er dennoch auf der Suche nach einem spirituellen Halt. Nach und nach entblättert sich Pauls Lebenskrise, er möchte seinem Leben etwas Höherem widmen als nur sich selbst. Während Paul in seinem Beruf eine Wurzelbehandlung durchführen kann, um seinen Patienten wieder zu einem strahlenden Lachen zu verhelfen, verrottet Pauls eigene Wurzel des Glaubens.
Bis eines Tages seine Identität im Internet gestohlen wird. Unter seinem Namen werden kritische, religiöse Texte und Kommentare verbreitet. Diese erwecken nun auch Pauls Interesse, statt gegen den Identitätendiebstahl vorzugehen, stellt er eigene Forschungen an und trifft auf eine Art Sekte oder religiöse Vereinigung. Hier scheint er das zu finden, was er immer vermisst hat.

Den Leser erwartet ein dicht verwobenes Geplauder über das letzte Spiel der Red Sox genauso wie über die existenziellen Fragen des Lebens. Paul neigt dazu abzuschweifen und seinen Gedanken und Fragen nachzujagen – in Monolog wie Dialogform. Mein fremdes Leben handelt von einem Identitätendiebstahl, der sich – und das halte ich für das Clevere an dem Buch – als Weg zur eigenen Identität entpuppt. Paul gelangt ins Zwiegespräch mit seinem virtuellen fremden Ichs, dass er immer besser kennenlernt.

joshua-ferris

Lieben Dank an den btb Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

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