Wlada Kolosowa begleitet in ihrem Roman Fliegende Hunde die beiden besten Freundinnen Lena und Oksana bei ihrem tristen Alltag in einem öden wie perspektivlosen russischen Vorort. Während Lena mit ihren Modelmaßen den Absprung schafft und als Model nach China geschickt wird, bleibt Oksana zurück und gleitet immer weiter ab in das Internet-Forum einer Magersuchtsbewegung, weil sie sich zu dick findet. Beide Mädchen scheinen sich in die Extreme zu flüchten, was daran liegen mag, dass ihnen ein echtes Vorbild fehlt. Die Trennung stellt die Freundschaft auf die Probe und in der Abwesenheit der anderen, muss sich jede nun selbst beweisen.
Es geht um die Generation Putin, mit ihrer aggressiven Homophobie, die grausamen Zeiten der Leningrad-Blockade, aber auch die Schattenseiten der Globalisierung, die die Frau als Objekt degradiert und ein ungesundes Körperempfinden propagiert. Kolosowa versteht es, alle diese Themen zu einem großen Ganzen zu verstricken. Fast ein bisschen komisch ist es, wenn sie vom unprätentiösen Leben eines Models in China, das dort wie Ware gehandelt wird, berichtet. Dann wiederum gelingt Kolosowa mit intensiven Schilderungen der Leningrad-Diät, die in einem Magersuchts-Forum gefeiert wird, zu schockieren. Sie beschreibt hier zwei von vielen Teenagerleben, die in ärmlichen Verhältnissen abseits von den modernen Großstädten in Russland aufwachsen. In einem grandios bissigen Ton erzählt Kolosowa vom Aushalten, Loslassen und Zurückbleiben. Wer, wie ich eine Schwäche für den Female Underdog hat, der trifft hier zwei ganz außergewöhnliche Exemplare.
Lieben Dank an den Verlag für die Bereitstellungs eines Rezensionsexemplars!
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