Literatur - Was ich gerade lese!

Mark Greif u.a. (Hg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion.

ansatlantische Diskussion

Der Begriff des Hipsters ist heute stark negativ konnotiert. Niemand würde von sich behaupten, ein Hipster zu sein, denn Hipster, so die allgemeine Auffassung, sind entgegen ihrem Namen gar nicht „hip“. Dennoch gibt es sie an jeder Straßenecke wie Sand am Meer, vor allem in Großstädten wie New York, London, Paris oder eben Berlin. „Der Grund, warum man das Wort Hipster heutzutage tatsächlich meist auf abwertende Art und Weise verwendet, liegt meiner Meinung nach darin, dass die Hipster längst eine dominante Position in der Gesellschaft eingenommen haben – die Subkultur als Elite.“1 Selbst die Diskussion um das Hipstertum ist mittlerweile ziemlich ermüdend geworden und doch wird es immer wieder thematisiert. Einige erklären den Hipster zwar schon wieder für tot, aber es brennt mir dennoch auf den Nägeln, das Buch Hipster. Eine transatlantische Diskussion, herausgegeben von Mark Greif. u.a., kurz vorzustellen. Denn ja, der Hipster ist ein Phänomen, mit dem sich heute sogar die Wissenschaft beschäftigt!

Hipster sind leicht zu erkennen. Im Prinzip gibt es einen Katalog, den man abarbeiten kann, um jemanden als Hipster zu entlarven. Hipster wollen hip und anders sein (auch, wenn sie es letztlich gar nicht sind). Zum Ausdruck bringen sie das u.a. mit ihrer Kleidung, aber auch mit ihrem angeblich so einmaligen „Herrschaftswissen“ z.B. über gute Lokalitäten, Geschäfte, gutes Essen und Cafés in der Stadt, in der sie leben (auch hier handelt es sich um kein Herrschaftswissen mehr, denn alle Informationen sind heute für jeden im Internet abrufbar). Hipster wollen sich damit von der Masse abheben, gleichzeitig halten sie sich aber an ein universelles Dresscode-Verständnis. In dem Buch „Hipster. Eine transatlantische Diskussion“ wird der Hipster noch auf viele weitere (unschöne) Arten und Weisen definiert, teils mehr teils weniger sachlich. Mit zynischem Unterton heißt es dort beispielsweise: „Hipster wird somit zu einer Bezeichnung für Personen, die über die quasi übernatürliche Inselbegabung verfügen, die winzigen Verschiebungen, die innerhalb der Konsumgesellschaft noch Distinktionen erlauben, zu erkennen und aufzugreifen und die es sich leisten können, in den verbleibenden Enklaven zu leben, in denen man solche Stile und Moden noch eher auf der Straße antrifft als (ausschließlich) im Internet.“2 Die Figur des Hipsters wird in den Diskussionen des Buches als ein primitives, oberflächliches, zielloses, stupides, ja sogar als böswilliges Wesen ohne Werte dargestellt, welches einfachste Kaufentscheidungen zu einer Kunstform erhebt und nichts weiter kann, als zu beobachten und nachzuahmen.

Aushang im Schaufenster einer Galerie in der Neuköllner Weserstraße vom Oktober 2011: "Hipster müssen draußen bleiben", S.155-156

Aushang im Schaufenster einer Galerie in der Neuköllner Weserstraße vom Oktober 2011: „Hipster müssen draußen bleiben“, S.155-156

Wie viele andere bin auch ich es satt über den Hipster zu reden. Nicht nur, weil ich aufgrund meines Kleidungsstils erst kürzlich auch als „einer“ betitelt wurde und es sich für mich anhörte wie ein Schimpfwort. Ja, ich mag Skinny Jeans und Vintage Kleidung und ja, ich bin ein Digital Native, knipse Fotos und schreibe einen Blog. Das sind Tatsachen, zu denen ich stehe, über die man aber abgestempelt wird. Doch gerade die, die das tun – sind die es nicht, die vorschnell urteilen und sich nur eine oberflächliche Meinung bilden? Wieso schließt ein Interesse für Mode eigentlich weitere Interessen und persönliche Eigenschaften kategorisch aus? Wieso kann ein modeinteressierter Mensch nicht auch politisch aktiv sein, nicht auch belesen und intellektuell sein? Und wieso bitteschön kann ein Hipster kein Gutmensch sein?! Genau das wird dem Hipster nämlich vorgeworfen und genau deswegen will auch niemand ein Hipster sein. „Sie widmen sich einem endlosen Diskurs über Ästhetik und Geschmack, anstatt sich tatsächlich mit Politik und der Klassengesellschaft auseinanderzusetzen.“3 „Immer wenn ich offensichtliche Zeichen von Gutmenschentum bei Hipstern sehe, ist der Zweifel meine erste instinktive Reaktion.“4

Diese Fragen stelle ich mir ernsthaft. Wenn sie nicht berechtigt sind, habe ich den Begriff des Hipsters und sein Dasein wohl noch nicht verstanden…

1Greif, Mark: Die Tagung an der New School. Positionen. In: Greif, Mark u.a. (Hg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012. S. 27-28.

2 Ebd.  S. 31.

3 Clooney, Dave: Die Tagung an der New School. Podiumsdiskussion. In: Greif, Mark u.a. (Hg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012. S.53.

4 Martinez, Michelle Angel: Die Tagung an der New School. Podiumsdiskussion. In: Greif, Mark u.a. (Hg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012. S.65.

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No Comments

  • Reply
    Nichael
    2. April 2013 at 20:11

    Hatte das Buch auch bei Dussmann in der Hand:) Der Satz „Berliner sind gern in der Gruppe individuell“ – hat eigentlich schon alles ganz gut zusammengefasst! Jetzt müssen wir nur noch an der Attitüde arbeiten.

  • Reply
    Thomas Biesenbach
    18. Februar 2014 at 20:33

    Also ich finde „Gutmenschen“ meist noch viel nerviger als Hipster…

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