I Saw a Man von Owen Sheers

Owen Sheers gelingt mit I Saw a Man ein thrilleresker Roman über Verlust und Schuld.
Nach dem Tod seiner Frau versucht der Autor Michael Turner einen Neuanfang. Er zieht vom gemeinsamen Haus in Wales nach London. Schnell entsteht er Kontakt zur der benachbarten Familie Nelson. Neben einer Männerfreundschaft mit Josh findet er dort auch familiären Anschluss. Schritt für Schritt scheint Michael sich aus seiner tiefen Krise des Verlustes zu befreien. Er arbeitet an seinem zweiten Roman und bei der Verarbeitung des Todes seiner Frau Caroline, die als Kriegsreporterin bei einem Auslandseinsatz in Afghanistan ums Leben gekommen ist, wird mittels eines Briefes des Einsatzpiloten Daniel, endlich Antworten auf seine Fragen gegeben. Bis – tja bis – Michael eines Tages selbst zum Täter wird.
Es ist ein Roman über drei Männer, die Schuld auf sich geladen haben. Sheers gelingt ein spannender Perspektivenwechsel zwischen Michael, Daniel und Josh, deren Schicksale miteinander verbunden sind. Die große Krux ist doch, um das eigene Wohlbefinden, der ach so kostbaren Haut zu retten, begibt man sich selbst in eine unbequeme Aushaltestarre. Owen Sheers gewährt interessante Einblicke in diese Starre, die sich unter der alles erdrückenden Last der Schuld zeigt. Zum einen wäre da Daniel, der einen Befehl zu folge, den Einsatz geflogen ist, in dem Caroline ums Leben gekommen ist. Ist er nun schuldig oder nicht, weil er auf Befehl gehandelt ist? Daniel beschäftigt sich selbst sehr intensiv mit dieser Frage. Der Familienvater Josh, der seine Aufsichtspflicht vernachlässigt hat, versucht dagegen, einen anderen Schuldigen ausfindig zu machen. Michaels unterlassende Hilfeleistung ballt sich zu einem Knäul aus unerträglichen Schuldgefühlen, das auf ein Geständnis drängt. Denn die Schuld zu bekennen, bedeutet letztendlich, sich auch irgendwann von ihr befreien zu können.
Sheer strickt einen vor Spannung straff gezogenen Handlungsbogen; auf beeindruckende Art wird deutlich, wie alles miteinander verwoben ist. Wie der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings bleibt nichts ohne Folgen.

Lieben Dank an den DVA Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!