Literatur - Was ich gerade lese!

Der erste fiese Typ von Miranda July

Miranda July Der erste fiese Typ

Du hast in den letzten Wochen und Monaten ganz schön vorgelegt, was das Lesen und Vorstellen von Büchern angeht. Ich hingegen habe es nicht geschafft, auch nur ein einziges Buch zu lesen und das zuzugeben, fühlt sich wirklich nicht gut an. Für den Weihnachtsurlaub wurde sich deshalb mit Büchern eingedeckt und die Leseratte kam wieder in mir zum Vorschein. Als Erstes wurde Miranda Julys Debütroman Der erste fiese Typ verschlungen, den ich bereits angelesen hatte, dann aber nicht in die Thematik reinkam und es letztlich seingelassen habe. Nun gab es eine zweite Chance, und ich bin froh, mich über Seite 200 einweggequält zu haben. Für einen Roman mit insgesamt nur 330 Seiten ist das eine lange Zeit, doch die Geschichte um Cheryl Glickman, einer 43-jährigen Frau, alleinstehend, bindungsgestört und in psychologischer Behandlung wegen eines dicken Kloßes im Hals, nimmt eine interessante Wendung. Sie ist heimlich in ihren 20 Jahre älteren Arbeitskollegen Phillip verliebt, der wiederum hinter einem Teenager her ist, und sie ständig per SMS um ihre Absolution bittet, mit ihr schlafen zu dürfen. Komplett aus den Fugen gerät Cheryls Leben schließlich, als die 21-jährige Clee bei ihr einzieht. Clee ist gewalttätig und beginnt Cheryl regelmäßig zu verprügeln – was sich zunächst nach Missbrauch anhört, entwickelt sich zu einem, wie July es bezeichnet, „Erwachsenenspiel“, in dem Cheryl mehr und mehr aufgeht. Es werden Szenen nachgespielt und durch dieses verstörend wirkende Spiel beginnt sich tatsächlich Cheryls Kloß im Hals zu lösen und – so absurd es klingt – sie entwickelt echte Gefühle für Clee, die Cheryl zuvor nur für gedankliche Perversionen in Rollenspielen mit Philipp instrumentalisiert hat. Zu diesem Zeitpunkt aber ist Clee bereits schwanger, von einem Mann, dessen Namen wir erst gegen Ende des Romans erfahren. Erst im letzten Moment entscheidet sich Clee gegen eine Adoption, denn die beiden sind sich näher gekommen und wollen das „Projekt Familie“ wagen. Auch wenn das Glück nicht lange hält, so wird die zweite Hälfte des Romans sprachlich so leicht, dass die Trennung der beiden nicht schwer fällt. „War ich wie der Honig, der sich für einen kleinen Bären hält, ohne zu bemerken, dass der Bär nur die Form seiner Flasche ist?“ heißt es da zum Beispiel ohne ins Kitschige abzurutschen. Falls du den Roman noch lesen möchtest, dann verrate ich dir, dass am Ende eine weitere kleine Überraschung auf dich wartet. Mein Tipp an jeden da draußen: Hat man das Buch angefangen, dann bitte bis zum Schluss durchhalten, denn während zunächst alles sehr trostlos und deprimierend wirkt, so macht die zweite Hälfte mehr Mut, mehr Spaß und mehr Lust auf das Leben.

Inlay Der erste fiese Typ

Klappentext Miranda July

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