Bevor ich verzeihe von Sophie Littlefield

Posted on 3. November 2016

Der Roman Bevor ich verzeihe von Sophie Littlefield ist eine spannende Suche nach dem Guten im unentwirrbaren Wahnsinn des Lebens.
Das Schicksal zweier Familien ist untrennbar miteinander verknüpft, von dem Tag an, an dem der Sohn der einen Familie die Tochter der anderen getötet hat. Aus zwei Perspektiven wird das bloße Dasein der Zurückgebliebenen dieses schrecklichen Schicksalschlages erzählt: Maris ist die Mutter des getöteten Mädchens; Ron ist der Vater des Mörders. Wie sich der Tod von Maris‘ Tochter genau zugetragen hat, erfährt der Leser nur aus Versatzstücken, die in die Erzählung eingestreut sind. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage: Wie gelingt es, den Figuren all dem standzuhalten?
Die Geschichte setzt weit nach der Tat und kurz nach der Urteilsverkündung an. Alle Parteien, deren Leben in dem vergangenen Jahr auf den Kopf gestellt wurde, müssen nun weitermachen und sich dem Alltag stellen. Für Maris bedeutet das, dass sie und ihr Mann sich scheiden lassen, sie pleite sind, weil die Anwaltskosten alle finanziellen Rücklagen verschlungen haben, und sie ihr gemeinsames zu Hause aufgeben müssen. Ein Neuanfang ist unabwendbar und der wird ihr auch auf sehr skurrile Weise gelingen. Ron dagegen muss das Urteil verdauen, den Weg zurück zu seiner Frau finden und eine neue Beziehung zu seinem Sohn, der nun ein verurteilter Mörder ist, aufbauen.

Bevor ich verzeihe bedeutet vor allem, sich selbst zu vergeben. Maris muss sich verzeihen, dass sie ihre Tochter nicht beschützen konnte und sie muss einsehen, dass auch sie einen Neuanfang verdient hat. Der Schwerpunkt des Romans liegt auf diesem Neubeginn, der in schwungvoller Art vorangetrieben wird – es war wohl noch nie so befriedigend darüber zu lesen, wie eine verdreckte Wohnung geputzt wird. Ein weiterer sehr spannender Fokus liegt auf Ron und die Beziehung zu seinem Sohn. Weder Maris noch ein anderer können Ron Vergebung schenken, nur er selbst kann das. Ron kann seinem Leben damit eine neue Richtung verleihen und seinem Sohn einen Platz darin zugestehen.
Littlefield gelingt es, verschiedene Blickwinkel ein und desselben Schicksals zu zeichnen. Lücken des Verständnisses zu reißen und den Funken der Hoffnung dort zu zünden, wo alles Leben erstickt wurde.